Willkommen im November, einem Monat, der uns dazu einlädt, loszulassen, innezuhalten und Platz für Neues zu schaffen. Die Natur macht es vor: sie lässt los, was sie nicht mehr benötigt, und bereitet sich auf die Ruhe des Winters vor. Doch für uns Menschen ist Loslassen nicht immer einfach – es erfordert Klarheit, Entscheidungskraft und manchmal auch Geduld mit sich selbst.
In diesem Beitrag erfährst du, warum das Loslassen manchmal einfach ist und an anderer Stelle so schwer fällt und was du dafür tun kannst, dass es leichter werden darf.

Loslassen heißt, Entscheidungen zu treffen
Während manche Menschen scheinbar mühelos Ballast abwerfen können – sei es materiell, emotional oder in zwischenmenschlichen Beziehungen - ist dies für andere ein schwieriger Prozess. Doch warum ist das so? Die Fähigkeit, loszulassen, hängt von mehreren Faktoren ab, die tief in unserer Persönlichkeit, Erziehung und Biologie verwurzelt sind.
Loslassen beginnt mit der zentralen Frage: Was darf bleiben – und was soll gehen? Diese Entscheidung ist oft schwieriger, als sie klingt. Sie zu beantworten erfordert von uns, innezuhalten und bewusst zu prüfen, was uns wirklich nützlich ist oder Freude bereitet und was wir eher als belastend empfinden.
Längst vergessene Gegenstände oder Kleidung, die wir drei Jahre nicht getragen haben, sind leichter auszusortieren. Das Loslassen von Menschen, vor allem in engen Beziehungen wie z.B. Partner, Eltern oder Kinder, oder von schädlichen Verhaltensweisen fällt deutlich schwerer. Denn diese Bindungen oder Denkmuster sind tief in unserem emotionalen Erleben und unserer Identität verankert.
Warum fällt Loslassen so schwer?
Verschiedene Faktoren können hierfür ursächlich sein:
Emotionale Verbundenheit und Bindung: Viele Menschen verbinden Erinnerungen, Hoffnungen oder ungelöste Konflikte mit dem, was sie festhalten. Ein alter Briefstapel kann zum Beispiel nicht nur Papier sein, sondern eine Brücke in die Vergangenheit, die man noch nicht hinter sich lassen will. Beziehungen loszulassen – sei es durch einen Abschied, eine Trennung oder den Tod – fällt schwer, wenn tiefe emotionale Bindungen bestehen. Diese Bindungen erzeugen ein Gefühl von Sicherheit und Zugehörigkeit, Loslassen ist deshalb oft mit einem Gefühl von Verlust oder einer Identitätskrise verbunden.
Angst: Vor allem für sicherheitsorientierte Menschen mit einem starken Bedürfnis nach Stabilität und Kontrolle steht Loslassen im Widerspruch zu ihrem Wunsch nach Sicherheit. Das Loslassen bringt oft die Sorge mit sich, etwas Wichtiges zu verlieren. Was, wenn ich es später brauche? Was, wenn ich eine falsche Entscheidung treffe? Dinge – ob physisch oder emotional – zu behalten, gibt Sicherheit. Das Vertraute loszulassen kann Verunsicherung hervorrufen. Der Gedanke, ohne eine geliebte Person weiterzugehen, kann eine tiefe Angst vor Einsamkeit auslösen, selbst wenn die Beziehung belastend oder dysfunktional war.
Die Rolle der eigenen Identität: Viele Menschen definieren sich stark über ihre Rolle in Beziehungen – als Partner, Elternteil oder Kind. Das Loslassen dieser Rollen kann zu einer Identitätskrise führen. Man fragt sich: Wer bin ich ohne diese Person in meinem Leben? Schwierig ist es auch, wenn sich Beziehungen wandeln, z. B. wenn Kinder erwachsen oder Eltern pflegebedürftig werden. Der Verlust der alten Dynamik kann schmerzhaft sein.
Prägung durch frühkindliche Erfahrungen: Menschen, die in ihrer Kindheit Verluste, Unsicherheiten oder Traumata erlebt haben, tun sich oft schwer, Dinge loszulassen. Ihr Unterbewusstsein verknüpft das Festhalten mit Schutz und Sicherheit. Loslassen kann in solchen Fällen eine physiologische Stressreaktion auslösen.
Ebenso können ungeklärte Konflikte oder unerfüllte Bedürfnisse aus der Kindheit das Loslassen erschweren, weil man weiterhin hofft, durch die Beziehung Heilung oder Bestätigung zu finden.
Erlernte Muster aus der Erziehung, kulturelle und gesellschaftliche Einflüsse : Kinder, die gelernt haben, dass Bindungen oder Besitz mit Liebe und Anerkennung verknüpft sind, tun sich schwer, solche Dinge hinter sich zu lassen. In Kulturen, in denen Besitz und Status stark betont werden, fällt es schwerer, Dinge loszulassen, da sie als Teil der Identität empfunden werden. Gesellschaftliche Normen, die die Idee von „ewiger Liebe“ oder „Seelenverwandten“ propagieren, machen es schwerer, eine Partnerschaft loszulassen, die nicht mehr funktioniert.
Warum das Loslassen manchmal einfacher geht – und manchmal schwierig ist
Es gibt Zeiten im Leben, in denen uns Loslassen leichter fällt – und solche, in denen es fast unmöglich erscheint.
Leichte Phasen: In Zeiten des Wachstums, der Neuanfänge oder wenn wir uns voller Energie fühlen, fällt es leichter, Ballast abzuwerfen. Das Gefühl, dass Veränderung etwas Positives bewirken kann, gibt uns den nötigen Schub.
Schwere Phasen: In Phasen von Stress, Unsicherheit oder emotionalen Tiefs scheint das Festhalten oft der einzige Anker zu sein. Gerade dann, wenn wir uns nach Stabilität sehnen, kann das Loslassen als Bedrohung empfunden werden.

Wie du dich im Loslassen üben kannst:
1. Fragen zur Selbstreflexion: Von wem oder was möchtest du loslassen? Werde dir deiner Bedürfnisse bewusst. Was brauchst du wirklich? Und was hält dich auf deinem Weg fest? Was hindert dich? Erkenne deine eigenen Muster. Warum hältst du fest? Welche positiven Konsequenzen könnte Loslassen für dich haben? Es kann helfen, diese Fragen aufzuschreiben und laut auszusprechen.
2. Schrittweise vorgehen: Starte mit dem Einfachen. Beginne mit Dingen, die dir emotional nicht so viel bedeuten, und arbeite dich langsam vor. Ein erfolgreiches Loslassen stärkt das Vertrauen, dass es dir gut tut und befreiend wirkt.
3. Finde den richtigen Zeitpunkt: Warte nicht auf den „perfekten Moment“, aber achte darauf, ob du emotional bereit bist. Vielleicht ist der November mit seiner Energie des Rückzugs und der Einkehr genau der richtige Zeitpunkt für dich.
4. Hole dir Unterstützung: Ob ein Coach, ein vertrauensvoller Freund oder ein Familienmitglied – manchmal hilft es, das Loslassen gemeinsam zu durchdenken. Methoden wie EMDR können helfen, tiefsitzende Ängste und Traumata zu bearbeiten, die das Loslassen blockieren.
5. Akzeptiere das Tempo: Loslassen ist ein Prozess. Es geht nicht darum, dass es dir sofort leicht fallen muss, sondern darum, die Schritte zu gehen, die sich für dich machbar anfühlen.
6. Übung macht den Meister: Loslassen ist wie ein Muskel, den man trainieren kann. Je öfter man loslässt, desto leichter fällt es.
EMDR - effiziente Methode für das Loslassen belastender Erlebnisse
EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing, dt. Desensibilisierung und Verarbeitung durch Augenbewegung) funktioniert, indem belastende Erinnerungen oder Emotionen während einer geführten bilateralen (beidseitigen) Stimulation – meist durch schnelle Augenbewegungen – verarbeitet werden.
Die/der Klient:in erinnert sich dabei an eine schwierige Situation, die sie als belastend, angst- oder stressbehaftet erlebt hat, während die/der Therapeut:in die Augenbewegungen leitet oder andere bilaterale Reize wie Töne oder Berührungen einsetzt. Diese Stimulation aktiviert ähnliche Mechanismen wie in der REM-Schlafphase, in der das Gehirn Erlebnisse verarbeitet. Dadurch werden negative Emotionen abgeschwächt, die Erinnerung „entmachtet“ und eine neue, positive Perspektive entwickelt.
Die Therapieform wurde Ende der 80er Jahre ursprünglich zur Behandlung von Traumafolgestörungen entwickelt, inzwischen sind die Anwendungsgebiete deutlich weiter gefasst. Die Wirksamkeit u.a. in der Behandlung von Depressionen, (Prüfungs-)Ängsten, Panikattacken, Stresszuständen, chronischen Schmerzen ist durch zahlreiche wissenschaftliche Studien belegt.
EMDR fördert so das natürliche Selbstheilungssystem, belastende Erfahrungen zu verarbeiten, und ermöglicht nachhaltige emotionale Entlastung.
Wenn du deine Themen mit Hilfe von EMDR lösen möchtest, melde dich gerne für einen Termin bei mir.
Was du aus dem Loslassen gewinnen kannst
Wenn wir uns bewusst entscheiden, loszulassen, was uns belastet, gewinnen wir an:
Klarheit
Es fällt uns leichter, unsere wahren Bedürfnisse zu erkennen. Alte Emotionen wie Ärger, Trauer oder Angst können wie ein Schleier wirken, der unsere Sicht auf das Leben trübt. Loslassen entfernt diesen Schleier und schafft Raum für ein klares Bewusstsein.
Statt von unproduktiven Gedankenspiralen oder „Was-wäre-wenn“-Szenarien festgehalten zu werden, können wir uns klarer auf das konzentrieren, was uns wichtig ist.
Energie
Belastungen – sei es durch ungeklärte Konflikte oder überflüssige Dinge – kosten uns Energie. Loslassen reduziert diese „unsichtbaren Energiefresser“ und schenkt uns mehr Kraft für die Gegenwart. Der ständige Versuch, an Dingen festzuhalten, die nicht mehr passen, ist anstrengend. Durch Loslassen spüren wir eine Befreiung von innerem Ballast.
Ein freier Raum, der vorher blockiert war, kann gefüllt werden – mit neuen Möglichkeiten, positiven Beziehungen und einem Gefühl der inneren Ruhe.
Leichtigkeit
Gefühl der Befreiung: Loslassen kann wie ein tiefer Atemzug sein, der uns spüren lässt, wie leicht sich das Leben ohne unnötige Lasten anfühlt. Es erlaubt uns, weniger ernsthaft und schwerfällig durchs Leben zu gehen.
Wenn wir Altes loslassen, schaffen wir Raum für Neues – sei es in Form von neuen Beziehungen, Ideen oder Erfahrungen. Der neu geschaffene Raum lädt dazu ein, kreativ zu werden, Neues auszuprobieren und zu wachsen.
Innerer Ruhe und Zufriedenheit
Gefühl der Akzeptanz: Loslassen bedeutet auch, das Leben so zu akzeptieren, wie es ist – mit allen Veränderungen und Ungewissheiten. Dieses Akzeptieren schafft ein Gefühl von Frieden, Zufriedenheit und innerer Ruhe.
Persönlichem Wachstum und Selbstfindung
Loslassen ist ein aktiver Prozess, der Mut und Vertrauen erfordert. Jeder Schritt stärkt unsere Fähigkeit, mit Veränderungen umzugehen und selbstbewusst in die Zukunft zu blicken.
Indem wir loslassen, was nicht mehr zu uns passt, kommen wir uns selbst näher und können unser Leben authentischer gestalten.
Fazit: Loslassen als bewusste Wahl
Loslassen bedeutet nicht nur, sich von Dingen oder Emotionen zu trennen, sondern auch, sich für das zu entscheiden, was bleiben darf. Nutze den November, um genau hinzuschauen: Was in deinem Leben braucht noch Raum – und was darf gehen?
Sei geduldig und nachsichtig mit dir. Mach dir bewusst, dass Loslassen ein Prozess ist, der Zeit, Verständnis und manchmal Unterstützung braucht. Doch wenn wir lernen, mit Liebe und Dankbarkeit loszulassen, können wir uns von den Belastungen lösen und gleichzeitig das, was uns diese Beziehungen gegeben haben, in unserem Herzen bewahren.
Wenn du Unterstützung auf diesem Weg benötigst, stehe ich dir mit meinen Coaching Angeboten oder einer EMDR-Sitzung zur Seite. Gemeinsam finden wir heraus, wie du deinen ganz eigenen Weg des Loslassens gestalten kannst – in deinem Tempo und auf deine Weise.
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