Du bist längst erwachsen und stehst voll im Leben, doch plötzlich fühlst du dich wieder klein und unfähig. In diesem Beitrag erfährst du, warum ein einziger Blick dich von einer Sekunde auf die nächste aus der Bahn schmeißen kann und wie du dem erfolgreich begegnest.

Schlagartig war ich wieder 4 Jahre alt, fühlte mich klein, hilflos, unfähig und innerlich erstarrt. Es war nur ein Wort gewesen, das mich erwischt und ausgelöst hatte, dass mir heiß und kalt wurde. Innerlich war aus der eben noch starken, fröhlichen 51-jährigen Frau ein kleines, schüchternes Mädchen geworden, das am liebsten im Erdboden versinken oder die Decke über sich zusammenschlagen wollte.
Äußerlich bekam von dem widersprüchlichen emotionalen Chaos, das in mir tobte, keiner etwas mit. Ich war gut darin, die Fassade zu halten. Meine Unsicherheit umschiffte ich mit verbaler Stärke und Eloquenz. Das half mir in Situationen und Kontexten, in denen es auf Leistungsfähigkeit und Funktionstüchtigkeit ankommt, gut zu funktionieren. Wieviel Kraft es kostet, wenn dies zu häufig und regelmäßig passiert, wurde mir erst viel später klar.
Welcher Mechanismus steckt hinter der automatisierten Reaktion?
Es ist ein mehrstufiger Mechanismus, der im Nervensystem beginnt. Ein äußeres Signal hatte schlagartig zu Stress in meinem Nervensystem geführt. In der Traumatologie spricht man von sogenannten Triggern, die auslösen, dass man ungewollt und unbewusst in Zustände von Unsicherheit, Angst oder sogar Panik gerät. Das passiert auf der Körperebene. Unser Körpergedächtnis hat aufgrund gemachter Erfahrungen viele Emotionen abgespeichert.
Nicht immer ist uns klar bewusst, wie es zu bestimmten Handlungen und Reaktionen kommt. Auslöser können Worte, Geräusche, Gesten, Gerüche sein. Das Hochziehen einer Augenbraue oder ein einziger kritischer Blick ist in der Lage, das Nervensystem zu erschüttern.
Auf diese Erschütterung reagieren wir mit einem Verhaltensmuster, das wir früh entwickelt haben, um der angstauslösenden, als übermächtig erlebten Situation zu begegnen. Man spricht hierbei von Bewältigungs- oder Copingstrategien. Nicht immer müssen große traumatische Erlebnisse ursächlich sein. Manchmal sind es scheinbar unauffällige Kleinigkeiten, die dazu geführt haben, dass eine Situation früher als „überwältigend“ empfunden wurde. Das Gehirn unterscheidet hier nicht, unser Nervensystem versucht uns in jedem Fall zu schützen. Es ist vom Grundsatz her darauf ausgelegt, dass es uns gut geht und wir uns in einem ruhigen, ausgeglichenen Zustand befinden. Wenn ein äußerer Reiz das Signal „Stress, Überforderung, Hilflosigkeit“ auslöst, wir also getriggert werden, verfallen wir automatisch in die gelernten Reaktionsmuster, die uns früher geholfen haben, in diesen Situationen gut zu funktionieren.
Diese Reaktionsmuster speisen sich aus zwei uralten, in unserem Stammhirn/Reptilienhirn verankerten Mechanismen: entweder wird es hochgefahren, wir gehen übermäßig in die Aktion und mobilisieren alles, was geht (Kampf- oder Fluchtmodus), oder wir fahren völlig runter und gehen in eine Art inneren Fluchtmodus, inneren Rückzug oder Erstarrung, so wie im oben beschriebenen Beispiel.
Welche Muster ein Mensch im Laufe seines Lebens entwickelt, hängt von vielen Faktoren ab. So können Geschwister aufgrund unterschiedlicher Persönlichkeitsstrukturen und Empfindsamkeiten für dieselbe erlebte Situation, die beide als belastend erlebt haben, völlig unterschiedliche Bewältigungsstrategien entwickeln haben.
Was genau ist so anstrengend daran?
Auf körperlicher Ebene kommt es bei Stress zu einem Anstieg der Hormone Cortisol bzw. Noradrenalin und Adrenalin. Dies ist eigentlich eine sinnvolle Reaktion unseres Körpers, um mit lebensbedrohlichen Situationen umzugehen und die Leistungsfähigkeit in kurzer Zeit zu steigern.
Wenn der Stress jedoch zum Dauerzustand wird, führt die anhaltende Adrenalinausschüttung zu erhöhtem Blutdruck. Die Hormone verschwinden nicht. Bei Dauerstress schädigt der erhöhte Blutdruck die Gefäße, die Gefahr eines Herzinfarkts steigt. Die Verdauung wird gestört und das Immunsystem geschwächt. Hält dieser Zustand über längere Zeit an, kann es unter anderem zu Symptomen wie Magen-Darm-Beschwerden (Reizdarm, Magenschleimhautentzündungen), Müdigkeit, Kopfschmerzen kommen.

Neben den körperlichen Symptomen zeigen sich psychische Symptome. Dadurch, dass die Person keine Kontrolle über ihre Reaktionen (z.B. Rotwerden, Schwitzen) hat, entstehen Scham- und Schuldgefühle, die sich noch durch Selbstvorwürfe verstärken können. Das macht inneren Druck. Nach außen will aber die Fassade von Stärke und Funktionalität gewahrt werden, z.B. in Arbeitskontexten, aber auch in Familiensystemen, in denen Prestige und Ansehen zählen.
Warum es gut tut, Stressauslöser zu identifizieren?
Gibt es keine Entlastungsmöglichkeit für diesen Druck, kommt es zu einem Konflikt zwischen innen und außen. Um sich von den negativen Gefühlen zu befreien, stürzen sich Menschen ins Tun. Sie haben erfahren, dass sie von außen positive Bestätigung erfahren, wenn sie erfolgreich funktionieren. Sie erhalten Lob und Anerkennung für ihre Leistung – und das tut gut.
Aber dadurch, dass ihre inneren Sorgen und Nöte nicht gesehen werden, können sie nicht authentisch sein. Und je weniger authentisch jemand ist, desto fremdbestimmter fühlt er sich. Das wiederum hat Einfluss auf die Wertschätzung für das eigene Tun und das Gefühl der Sinnhaftigkeit. Wenn diese fehlen, geht der Sinn für das eigene Leben verloren. Man erschöpft an den Herausforderungen des Alltags. Gefühle wie Hilflosigkeit, Ohnmacht und Ausgeliefertsein sind die Folge. Schwächen zuzulassen kann deshalb nicht nur entlastend wirken, sondern einen wieder zu sich selbst führen. Und das ist wichtig, um langfristig gesund zu bleiben.
Wo stehst du gerade?
Kommen dir Sätze wie „Ich werde gelebt“ – statt – „Ich lebe mein Leben“, bekannt vor?
Wenn du dir auf deinem Weg Unterstützung wünschst, schreib mir gerne eine Nachricht und wir vereinbaren ein kostenloses 30-minütiges Erstgespräch. Hier findet du erste Infos zu den Möglichkeiten einer Zusammenarbeit.
4 Möglichkeiten, wie du dich ab sofort selber in deiner inneren Mitte stärken kannst:
1. Werde zur Spürnase und lerne dich besser kennen
Finde heraus, was der aktuelle Auslöser für deine Krise war. Identifiziere, was genau das Gefühl in dir ausgelöst hat. Dafür gehst du die Situation am besten noch einmal Stück für Stück in Gedanken durch. Was war das Wort oder die Geste, mit der du so stark in Resonanz gegangen bist? Woher kennst du das möglicherweise aus der Vergangenheit? Schreib es auf. Wenn du dies öfter tust, wirst du Muster erkennen und kannst dich besser auf diese Situationen vorbereiten.
Wenn du dafür eine Vorlage von mir erhalten möchtest, maile mir gerne.
2. Schaffe dir einen ruhigen Raum und öffne dich deiner Verletzlichkeit
In einer Welt, in der Versagensangst den meisten Menschen zur zweiten Natur geworden ist, erscheint Verletzlichkeit als gefährlich. Doch Verletzlichkeit zuzulassen, ist die Voraussetzung dafür, dass Zugehörigkeit und Freude entstehen können.

Es müssen nicht die Menschen sein, mit denen du dich täglich umgibst, denen du dich zuerst mit deiner Verletzlichkeit zeigst.
Manchmal neigen gerade diese Menschen, weil sie dich so gut zu kennen meinen, dazu, mit dir eine schnelle Lösung zu entwickeln oder dir Ratschläge zu geben.
Ein ruhiges Gespräch mit einer wohlwollenen Person, die dir eigentlich „fremder“ ist, ist manchmal einfacher und frei von Druck.
Überlege einmal, wer diese Person sein könnte.
3. Gib dir Zeit und sei nachsichtig mit dir
Fühlen braucht Zeit. Unsere Seelen sind Fußgänger, sie rennen nicht. Wenn du bewusst oder unbewusst beschlossen hattest, deine Gefühle für eine bestimmte Zeit wegzupacken, braucht es Zeit, um sie wieder zuzulassen.

Sei nachsichtig mit dir und feiere jeden winzig kleinen Moment, in dem du etwas wirklich FÜHLST.
4. Sinn ist der, den du ihm gibst
Der kanadische Gestalttherapeut Victor Levant hat einmal gesagt: „Für mich gibt es im Universum nur den Sinn, den jedes Individuum ihm gibt.“
Was du als Sinn und sinnvoll empfindest und worin du einen Sinn sehen kannst, hängt ab von deinen Werten, deinem kulturellen und sozialen Umfeld, in dem du groß geworden bist. Es ist also sehr subjektiv.

Mögliche Formen, die du ausprobieren kannst, um dein Leben wieder in einen Sinnzusammenhang einzubetten – wenn du es dir erlaubst - könntest du finden in:
Spiritualität (Religion, Yoga, Meditation)
Kunst (Musik oder Malen kennen kein "Richtig oder Falsch")
Natur (achte auf die kleinen Details, eine Blüte, ein Blatt, die satten oder sanften Farben. Höre bewusst die Geräusche, wenn du durch den Wald gehst. Richte deine Aufmerksamkeit darauf und nimm sie wahr.
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